Die EU Europäische Union mit dem Europäischen Parlament in Straßburg, aktuell 736 Abgeordneten aus 27 Staaten, der Rat der Europäischen Union und der Europäische Rat (Staatschefs), jeweils in Brüssel, haben einen großen Einfluss auf die nationalen Gesetzgeber, wie auf den Bundestag und Bundesrat in Deutschland. Das EU-Parlament repräsentiert 490 Millionen Bürger. Der EuGH Europäische Gerichtshof in Luxemburg mit seinen aus 27 Richtern bestehenden Kammern beeinflusst darüber hinaus unsere Rechtsprechung. Wie groß der EU-Anteil an unseren Gesetzen und Verordnungen tatsächlich ist, hängt vom jeweiligen Fachgebiet ab. Realistisch sind die von der Bundestagsverwaltung durchschnittlich ermittelten - je nach Wahlperiode außerdem schwankend - circa 30 bis 40 Prozent. In Umwelt- oder Agrarfragen kann der Anteil dabei aber durchaus auch bei über 50 Prozent liegen.


Personalkapazitäten

Natürlich spiegeln die Parlamente in Ihrer demokratisch legitimierten Zusammensetzung auch gesellschaftliche Entwicklungen wieder. So ist der Anteil der Frauen im Bundestag von der 12. Wahlperiode, 1990-1994, bis zur aktuellen 17. Wahlperiode von 20,5 auf 32,8 Prozent gestiegen, das Durchschnittsalter im gleichen Zeitraum von 48,7 auf 49,3 Lebensjahre. Die Anzahl der in Brüssel bei der Kommission beschäftigten Beamten und Bediensteten auf Zeit belief sich nach aktueller Statistik vom 4. April 2011 auf 23.956, wovon 52,1 Prozent Frauen und 47,9 Prozent Männer sind. Die Verteilung der Geschlechter auf die Funktionsgruppen AD5 bis AD16 Administration und AST1 bis AST11 Assistenz (z.B. Archiv-/Bibliotheksführung, Datenverarbeitung) lässt die zahlenmäßig stärkere Gruppe der Frauen hingegen wieder in einem Ländervergleich z.B. Deutschland – Frankreich in gehobenen Positionen schwächer erscheinen (s. Abb. rechts). Insgesamt waren im Sommer 2010 in allen europäischen Institutionen 32.140 Mitarbeiter tätig, wovon sich 23.116 auf Brüssel und 3.903 auf Luxemburg verteilten, davon 53,2 Prozent Frauen und 46,8 Prozent Männer.

  Die aktuell als offen gemeldeten Positionen für das allgemeine Auswahlverfahren für Beamte 2011 in der Funktionsgruppe Administration, lässt Rückschlüsse auf den künftigen Arbeitsbedarf zu: Europäische öffentliche Verwaltung (49), Finanzen (48), Rechnungsprüfung (45), Statistik (37), Wirtschaft (30), Recht (17), in Klammern offene Stellen für Hochschulabsolventen. Das Ende der Bewerbungsfrist ist der 14. April 2011, Bekanntmachung von EPSO Europäisches Amt für Personalauswahl im Amtsblatt der Europäischen Union (2011/C 82 A/01) vom 16. März 2011.

Der EU-Haushalt

Der vom EU-Parlament - erstmalig nach dem Vertrag von Lissabon  - angenommene Haushalt für 2011 beläuft sich auf 141,9 Mrd. Euro, was einer Steigerung von 0,3 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Davon sind 126,5 Mrd. Euro Zahlungsermächtigungen. Die Mittelverteilung ist wie folgt vorgesehen, (Angaben in Prozent): Nachhaltiges Wachstum 45,5 (+ 0,4); Bewahrung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen 41,3 (- 1,4); EU als globaler Partner 6,2 (+7,5); Verwaltung 5,7  (+ 3,2) und Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht 1,3 (+ 8,0) des Gesamtetats.

Neues Verfahren für Durchsetzungsbefugnisse

Am 1. März 2011 sind mit der EU-Verordnung Nr. 182/2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren gemäß den Vorgaben des Lissabon-Vertrages die Änderungen der Artikel 292 [1] (Durchführungsbefugnisse) und Artikel 290 [2] (delegierte Rechtsakte)  des AEUV Vertrages der Arbeitsweise der Europäischen Union in Kraft getreten. Danach werden verbindliche Rechtsakte der Union, sogenannte Basisrechtsakte , bei denen von der Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen werden, nach einem einheitlichen Prüfverfahren behandelt, Artikel 2 der Verordnung. Hierbei erhalten die Mitgliedstaaten ein Kontroll- bzw. Mitwirkungsrecht gegenüber der Kommission in einem Beratungsverfahren advisory procedure gemäß Artikel 4 oder in einem Prüfverfahren examination procedure gemäß Artikel 5 der Verordnung. Die Wahl des Verfahrens hängt vom Basisrechtsakt ab. Das sogenannte Komitologieverfahren ist damit für neue Rechtsakte abgeschafft worden, gilt aber noch parallel für einige Jahre für laufende Gesetzgebungsverfahren. Mit der Einführung von advisory und examination procedure wird sich die Zusammensetzung der Arbeitsausschüsse ändern, neue Entscheidungswege entstehen. Die Einflussnahme durch Regierungen, industriellen Interessenvertretern und Verbraucherschutz-Organisationen wird sich damit ebenfalls neu konstituieren. Dem Europäischen Parlament und dem Rat wird die Kommission bis März 2016 einen Erfahrungsbericht über die neue Praxis vorlegen, gegebenenfalls mit Änderungen.

Umfang der europäischen Gesetzgebung

Ende 2009 bestand das EU-Recht aus 6.140 Verordnungen und 1.820 Richtlinien, unbeachtlich der Staats- und EU-Verträge, 27. Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts, KOM (2010) 538 vom 1. Oktober 2010. Über aktuelle Probleme bei der Umsetzung von EU-Richtlinien heißt es auf Seite 4 des Berichtes der Europäischen Kommission: „Trotz jüngster Verbesserungen des allgemeinen Umsetzungsdefizits ist die Anzahl der wegen verspäteter Umsetzung von Richtlinien eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren weiterhin Besorgnis erregend. Verspätungen wurden insbesondere in folgenden Bereichen verzeichnet: medizinische Geräte (22 neue Fälle), Arbeitsbedingungen im interoperablen grenzüberschreitenden    Schienenverkehr (17), geänderte Vorschriften für Einlagensicherungssysteme (17) und die Grundwasser-Richtlinie (17). Verspätungen sind ebenfalls verbreitet bei der technischen Aktualisierung von Richtlinien im Bereich Unternehmen.“ Für die Bereiche Unternehmensführung, Gesellschaftsrecht und Geldwäsche gab es 140 Vertragsverletzungsverfahren, die wegen verspäteter Umsetzung neu eingeleitet wurden. Insgesamt bearbeitete die Kommission Ende 2009 circa 2.900 Beschwerden und Verstöße, von denen in 77 Prozent der Fälle vor Einleitung eines förmlichen Verfahrens wegen Vertragsverletzung abgeschlossen werden konnten.

  Die Ursachen für die nicht rechtzeitige Umsetzung von EU-Recht durch nationale Gesetzgeber können dabei vielschichtig sein und müssen nicht immer, wie oft im Raum steht, in politischen Opportunitäten oder in der Arbeit von Lobbyisten begründet liegen: Die Anpassung bestehender Gesetze nebst Verordnungen ist zeitaufwändig, weshalb zum Beispiel viele junge EU-Mitgliedsländer in einigen Rechtsbereichen eine schnelle Umsetzung vorweisen können, weil nach ihrem EU-Beitritt ihre Kodifikationen noch nicht so differenziert waren; spontane Regierungswechsel; nationale Rechtsprechung und dessen Konkurrenz zu EU-Verträgen usw. sind weitere Gründe. In den Kommissionsberichten werden regelmäßig hierzu Maßnahmen beschrieben, die eine effizientere nationale Rechtsumsetzung bewirken sollen. Unabhängig von für jedermann eingängigen Themen wie Gesundheits- und Umweltschutz, wo beispielsweise das europaweite Verbot gefährlicher Stoffe jedermann einleuchtet, liegen die Schutzeffekte und Interessenlagen im Datenschutz, in der Kapitalmarktregulierung und anderen Themen nicht so einfach auf der Hand. Die Kernfrage ist also, wie nationaler und europäischer Gesetzgeber das Tempo gesellschaftlicher Änderung, Globalisierung und auch den Strukturveränderungen an den Märkten mit griffigen legislativen Maßnahmen folgen können.

  Das neue Grünbuch Europäischer Corporate Governance Rahmen, KOM (2011) 164/3, bezieht sich unter anderem auf das Kommuniqué der G20-Finanzminister und Zentralbankgouerneure vom September 2009, wo zum internationalen Finanzsystem getagt wurde. Fragen wie Vorstandsvergütung und Risikomanagement wurden unter anderem im Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik vom Juni 2010 aufgenommen. Im aktuellen Grünbuch werden bekannte Themen neu betrachtet: Wirkungsweise des Aufsichtsrates, Aktionärsstrukturen und Minderheitsschutz, comply or explain. Hervorzuheben sind die Punkte berufliche Vielfalt, Internationalität und geschlechterspezifische Diversität im Überwachungsorgan; sowie dessen zeitliche Verfügbarkeit, seine externe Beurteilung und Vergütung. Ein weiterer Aspekt ist das Risikomanagement mit einer top-down-Risikopolitik für Unternehmen. Für Aktionäre wurde unter anderem deren kurzfristige Gewinnorientierung als Thema identifiziert, sowie die Inanspruchnahme von Beratern für Stimmrechtsvertreter, proxy advisors, durch institutionelle Investoren. Es bleibt abzuwarten, welche dieser Vorschläge seinen Weg in nationale Regelwerke nehmen werden. Im Februar 2011 beschloss die Kommission die elektronischen Unternehmensregister grenzüberschreitend zu verknüpfen, was eine logische Fortführung des in 2007 in Kraft getretenen EHUG Gesetz über elektronische Handels- Genossenschafts- und Unternehmensregister ist.

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